Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Trotz eigenständigen Vertrags: Mit der Wohnung angemietete Garage kann nicht getrennt gekündigt werden

Wer Wohnraum anmietet, freut sich, wenn zusätzlich eine Garage zur Verfügung steht. Dass diese Zusatzkosten verursacht, versteht sich von selbst. Aber dafür einen eigenen Vertrag abzuschließen, mutet ungewöhnlich an. Darf diese Garage denn auch gekündigt werden, wenn die Nutzung der Garage in einem eigenständigen Vertrag neben dem Wohnungsmietvertrag geregelt wurde, wenn man weiterhin im Mietobjekt wohnen bleibt? Diese Frage wurde kürzlich vom Amtsgericht Hanau (AG) beantwortet.

Wer Wohnraum anmietet, freut sich, wenn zusätzlich eine Garage zur Verfügung steht. Dass diese Zusatzkosten verursacht, versteht sich von selbst. Aber dafür einen eigenen Vertrag abzuschließen, mutet ungewöhnlich an. Darf diese Garage denn auch gekündigt werden, wenn die Nutzung der Garage in einem eigenständigen Vertrag neben dem Wohnungsmietvertrag geregelt wurde, wenn man weiterhin im Mietobjekt wohnen bleibt? Diese Frage wurde kürzlich vom Amtsgericht Hanau (AG) beantwortet.

Eine Vermieterin schloss mit Mietern einen Wohnraummietvertrag und zudem einen zweiten Mietvertrag über eine Garage, die sich auf demselben Grundstück befand. Dann kündigte die Vermieterin den Garagenmietvertrag und forderte die Mieter zur entsprechenden Rückgabe auf. Als sich die Mieter weigerten, klagte die Vermieterin auf Herausgabe der Garage - mit wenig Erfolg.

Eine getrennte Kündigung nur der Garage ohne Kündigung der Wohnung ist nach Ansicht des AG nicht möglich. Auf den Umstand, dass zwei Vertragsurkunden verwendet wurden, kam es nicht an. Es ist ersichtlich, dass die Mieter sowohl die Wohnung als auch die Garage gemeinsam mieten wollten. Es wäre auch praxisfern, anzunehmen, dass ein Mieter die mit der Wohnung zusammen angemietete Garage nicht so lange nutzen will, wie er in der Wohnung wohnt. Maßgeblich ist zudem, dass der Bundesgerichtshof eine untrennbare Verbindung der Mietverträge sieht, sobald sich Wohnung und Garage - wie hier - auf demselben Grundstück befinden. Daher konnte die Vermieterin die Garage nicht separat kündigen.

Hinweis: Vermieter sollten sich dieses Urteil genau anschauen. Im Regelfall bringt der Abschluss getrennter Verträge gar nichts, da diese nicht einzeln kündbar sind.


Quelle: AG Hanau, Urt. v. 05.05.2023 - 32 C 172/22 (12)
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Zugewandtes Grundstück veräußert: Annahme eines Vermächtnisses durch konkludentes Handeln

Ein Vermächtnisnehmer kann das ihm zugedachte Vermächtnis durch ausdrückliche Erklärung annehmen. Ob aber bereits sein Handeln Rückschlüsse darauf zulässt, dass das Vermächtnis angenommen werden soll, klärte das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) kürzlich anhand des folgenden Falls.

Ein Vermächtnisnehmer kann das ihm zugedachte Vermächtnis durch ausdrückliche Erklärung annehmen. Ob aber bereits sein Handeln Rückschlüsse darauf zulässt, dass das Vermächtnis angenommen werden soll, klärte das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) kürzlich anhand des folgenden Falls.

Die Erblasser - zwei Eheleute - hatten sich im Rahmen eines Erbvertrags wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Die drei gemeinsamen Kinder wurden jeweils zu gleichen Teilen zu Schlusserben eingesetzt. Bezüglich des gemeinsamen Sohns wurde zudem eine Vermächtnisanordnung getroffen: Ein im Eigentum der Eheleute stehendes Haus sollte ihm im Voraus und ohne Anrechnung auf den Erbteil vermacht werden. Der Sohn wurde gleichzeitig zum Testamentsvollstrecker für den Vollzug des Vermächtnisses berufen. Darüber hinaus hatten die Eheleute für den Sohn in einer weiteren notariellen Urkunde bereits eine General- und Vorsorgevollmacht erstellt. Diese Vollmacht berechtigte den Sohn, Grundbesitz der Eltern zu veräußern. Nach dem Tod des Vaters - aber noch zu Lebzeiten der Mutter - veräußerte der Sohn unter Berufung auf die Generalvollmacht das ihm bereits vermachte Grundstück. Der Erwerber zahlte den Kaufpreis unmittelbar an den Sohn. Noch vor dem Vollzug des Kaufvertrags verstarb die Mutter. Die übrigen Miterben waren der Ansicht, dass der Bruder den vereinnahmten Kaufpreis herauszugeben habe, der Verkaufserlös müsse unter den Erben aufgeteilt werden. Es handele sich auch nicht um die Erfüllung des Vermächtnisses, da der Bruder dieses zu keinem Zeitpunkt angenommen habe.

Dieser Ansicht schloss sich das OLG ebenso wenig an wie dessen Vorinstanz. Auch wenn die Veräußerung noch zu Lebzeiten der Mutter erfolgte, befand sich das Grundstück zum Zeitpunkt ihres Todes noch im Nachlass, weshalb die Erbengemeinschaft dazu verpflichtet gewesen wäre, den Vermächtnisanspruch zu erfüllen. Durch die Veräußerung habe der Sohn das Vermächtnis stillschweigend angenommen. Dies war auch auf der Grundlage der erteilten Generalvollmacht möglich. Der Sohn war nicht dazu verpflichtet, den Weg über die Testamentsvollstreckung zu gehen. Da eine Erfüllung des Vermächtnisses nicht mehr möglich war - die Immobilie war bereits veräußert -, stand dem Sohn auch der finanzielle Ersatz für das Vermächtnis zu.

Hinweis: Ein Vermächtnis kann durch Erklärung gegenüber dem Erben ausgeschlagen werden. Die Erklärung ist nicht formbedürftig oder fristgebunden, sie ist aber erst nach dem Eintritt des Erbfalls möglich.


Quelle: Saarländisches OLG, Urt. v. 10.05.2023 - 5 U 57/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Zulässige Meinungsäußerung: Die angebliche Zusammenarbeit einer Profilerin mit Querdenkerbewegung

Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ist presserechtlich immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen - auch in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ist presserechtlich immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen - auch in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Eine sogenannte "Profilerin" trat als Rednerin bei Veranstaltungen auf. Im Zuge einer Teilnahme der Frau als Expertin bei einer Fernsehsendung berichtete eine überregionale Tageszeitung, dass die Frau "mit Anhängern der Querdenkerbewegung" zusammenarbeite. Unstreitig war, dass sie tatsächlich mit vier der dort genannten Personen zusammengearbeitet hatte. Auf einer Verlagswebsite der Profilerin wurden diese Personen nämlich als "handverlesene Autoren" aufgeführt, die auch für den entsprechenden Verlag arbeiten würden. Die Profilerin verlangte von der Tageszeitung dennoch die Unterlassung der Berichterstattung.

Damit kam sie beim OLG nicht weiter. Bei der angegriffenen Äußerung handelte es sich um ein Werturteil - und damit um eine Meinungsäußerung. Der Begriff der Querdenkerbewegung ist unscharf und skizziere "eine äußerst heterogene, nicht klar zu umreißende Initiative, die die Pandemie bzw. das Coronavirus leugnet, Schutzmaßnahmen des Staates zur Bekämpfung und Eindämmung der Coronapandemie ablehnt und dabei auch Verschwörungserzählungen verbreitet", so das Gericht. Die Zeitung hatte aus Äußerungen und Kontakten zu vier im Artikel genannten Personen darauf geschlossen, dass diese Personen der Bewegung zuzuordnen sind, und für diese Einschätzung auch tatsächliche Anhaltspunkte vorgebracht.

Hinweis: Wer gegen Äußerungen in der Presse vorgehen möchte, sollte anwaltlich gut beraten sein.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.06.2023 - 16 U 74/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2023)

Zweifamilienhaus mit Vermieter: Kündigungsprivileg greift nicht bei geringem Nutzungsumfang als Ferienwohnung

Bewohnt der Vermieter selbst eine Wohnung im Mietshaus, kann es nicht nur nachbarschaftlich schnell(er) zu Ärger kommen. Sind in dem Haus lediglich zwei Wohnungen, von denen eine vom Vermieter selbst bewohnt wird, kann der Vermieter gemäß § 573a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch kündigen, ohne einen Kündigungsgrund nachweisen zu müssen. Wann dieser Paragraph greift, war der Kern des Falls vor dem Landgericht Traunstein (LG).

Bewohnt der Vermieter selbst eine Wohnung im Mietshaus, kann es nicht nur nachbarschaftlich schnell(er) zu Ärger kommen. Sind in dem Haus lediglich zwei Wohnungen, von denen eine vom Vermieter selbst bewohnt wird, kann der Vermieter gemäß § 573a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch kündigen, ohne einen Kündigungsgrund nachweisen zu müssen. Wann dieser Paragraph greift, war der Kern des Falls vor dem Landgericht Traunstein (LG).

In diesem Fall ging es zwar um ein solches Haus - hier allerdings hatte der Vermieter seinen Erstwohnsitz in einer anderen Stadt und nutzte seine Wohnung im betreffenden Haus als Ferienwohnung. Die andere Wohnung war vermietet. Deren Mietern gegenüber sprach er eine Kündigung aus unter Berufung auf den entsprechenden Paragraphen im BGB - also ohne dass er eine besondere Begründung für die Kündigung nachweisen musste. Schließlich legte er eine Räumungsklage ein, und die Sache landete vor dem LG.

Das Gericht befand die Nutzung als Ferienwohnung in nur geringem Umfang - nur alle zwei Monate für ein verlängertes Wochenende - für die erleichterte Kündigungsmöglichkeit nach § 573a BGB als unzureichend. Der zeitliche Umfang war derart gering, dass eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen nicht besteht. Es gab keine Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB bei nur gelegentlicher Nutzung als Ferienwohnung. Die Kündigung war unwirksam.

Hinweis: Viele Mieter - aber auch Vermieter - wissen nicht, dass Mieter in einem vom Vermieter selbstbewohnten Zweifamilienhaus keinen Kündigungsschutz haben. Das sollte ab sofort beachtet werden. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Entscheidung richtig ist.
 
 


Quelle: LG Traunstein, Urt. v. 03.05.2023 - 3 S 2451/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Abgasskandal: Motorhersteller haften nur bei Vorsatz

Wer wie und ob er überhaupt im sogenannten Abgasskandal haftbar zu machen war und ist, scheint immer noch nicht komplett ausverhandelt zu sein. Das zeigt auch dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging. Es ging es um die Frage, ob Hersteller von Motoren auch haftbar gemacht werden können, wenn es sich dabei nicht gleichzeitig auch um den Fahrzeughersteller handelt.

Wer wie und ob er überhaupt im sogenannten Abgasskandal haftbar zu machen war und ist, scheint immer noch nicht komplett ausverhandelt zu sein. Das zeigt auch dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging. Es ging es um die Frage, ob Hersteller von Motoren auch haftbar gemacht werden können, wenn es sich dabei nicht gleichzeitig auch um den Fahrzeughersteller handelt.

Der Kläger nahm die Beklagte - die zwar Motorherstellerin, aber nicht Fahrzeugherstellerin ist - wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kfz auf Schadensersatz in Anspruch. Er hatte 2019 von einem Händler ein gebrauchtes Kfz gekauft, das mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor der Baureihe EA 897 (Euro 6) ausgerüstet war. Das Fahrzeug war bereits zuvor von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Ein von der Beklagten zur Beseitigung der vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung erstelltes Softwareupdate hatte das KBA freigegeben.

Der BGH hat die Klage zurückgewiesen. Zunächst war davon auszugehen, dass der Beklagten selbst keine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers zur Last fällt. Die Beklagte habe auch keine vorsätzliche Beihilfe dazu geleistet, dass der Fahrzeughersteller das Fahrzeug vorsätzlich mit einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung - bezogen auf ein in das Fahrzeug verbautes Thermofenster - in den Verkehr gebracht hat. Zwar steht, wie der BGH entschieden hat, dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kfz unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Fahrzeughersteller ein Schadensersatzanspruch zu. Die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft indessen nur den Fahrzeughersteller, nicht aber den Motorhersteller.

Hinweis: Der Motorhersteller kann, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihn nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht trifft.


Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2023 - VIa ZR 1119/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Alternative Demonstrationsroute: Behinderung und Gefährdung des Verkehrs sprechen gegen Versammlung auf Autobahn

Unser Grundgesetz garantiert das Recht, sich sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel zu versammeln. Eine solche Versammlung unter freiem Himmel - allgemeinhin als Demonstration bezeichnet - muss entgegen aller Unkenrufe zwar nicht genehmigt, aber in aller Regel gemäß Versammlungsgesetz angemeldet werden. Warum? Damit die Ordnungsbehörden einen sicheren und ungestörten Verlauf der Demonstration garantieren können. Und wenn ein solcher Verlauf nicht mehr gesichert werden kann, muss ein Gericht, wie im folgenden Fall das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG), das letzte Wort sprechen.

Unser Grundgesetz garantiert das Recht, sich sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel zu versammeln. Eine solche Versammlung unter freiem Himmel - allgemeinhin als Demonstration bezeichnet - muss entgegen aller Unkenrufe zwar nicht genehmigt, aber in aller Regel gemäß Versammlungsgesetz angemeldet werden. Warum? Damit die Ordnungsbehörden einen sicheren und ungestörten Verlauf der Demonstration garantieren können. Und wenn ein solcher Verlauf nicht mehr gesichert werden kann, muss ein Gericht, wie im folgenden Fall das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG), das letzte Wort sprechen.

Im Frühjahr 2023 wollte der Organisator einer Fahrraddemonstration einen Teilabschnitt einer Autobahn nutzen und dabei mit Lautsprechern, Musikboxen, Transparenten, Fahnen und Spruchbändern für sein Anliegen werben. Die zuständige Behörde lehnte die Route über die Autobahn jedoch ab und verwies stattdessen auf eine paralle Route über Landstraßen. Die Behörde gab an, dass der Verkehr auf der Autobahn im Fall einer Sperrung intensiv beeinträchtigt sei und die Autobahn dafür für mindestens fünf bis sieben Stunden gesperrt werden müsse. Den erheblichen Beeinträchtigungen könne nicht durch Umleitungsstrecken begegnet werden. Die Gefahr von Unfällen würde sich erhöhen. Zudem müsse die Autobahn in beiden Fahrtrichtungen gesperrt werden.

Der Eilantrag des Organisators auf Genehmigung wurde zuerst vom Verwaltungsgericht Braunschweig zurückgewiesen - und auch das OVG bestätigte diese Entscheidung. Die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Kraftfahrzeugverkehr schließt deren Nutzung für Versammlungszwecke zwar nicht generell aus - allerdings kommt eine Nutzung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Die Wahl der Autobahn als Versammlungsort muss für eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit unabdinglich sein. Angesichts der von der Behörde zutreffend ermittelten erheblichen Behinderungen und Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer lag ein solcher Ausnahmefall nicht vor.

Hinweis: Zu berücksichtigen war auch, dass die Behörde eine Alternativroute vorgeschlagen hatte, wodurch ein angemessener Ausgleich zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und den Rechten Dritter sowie den betroffenen öffentlichen Belangen hergestellt wurde. Auf dieser parallel zur Autobahn verlaufenden und diese mehrfach kreuzenden Strecke konnte das von der Versammlung verfolgte Anliegen in ausreichend öffentlichkeitswirksamer Weise verwirklicht werden.


Quelle: OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.04.2023 - 10 ME 52/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Warnblinkerpflicht am Stauende? Verpflichtung nur bei Gefährdungslage - nicht bei Behinderung des nachfolgenden Verkehrs

Auffahrunfälle am Ende eines Staus gehören zu den traurigen, da oft tragisch endenden, Klassikern im Verkehrsrecht. Daher ist jeder Führer eines Kfz gut beraten, sich und andere durch Aufmerksamkeit und Warnung zu schützen, wenn er sich selbst einem Stau nähert - am naheliegendsten mithilfe von Warnblinkern. Wie es sich aber mit der Pflicht, die Warnblinkanlage zu aktivieren, verhält, wurde im Folgenden vom Landgericht Hagen (LG) thematisiert und geklärt.

Auffahrunfälle am Ende eines Staus gehören zu den traurigen, da oft tragisch endenden, Klassikern im Verkehrsrecht. Daher ist jeder Führer eines Kfz gut beraten, sich und andere durch Aufmerksamkeit und Warnung zu schützen, wenn er sich selbst einem Stau nähert - am naheliegendsten mithilfe von Warnblinkern. Wie es sich aber mit der Pflicht, die Warnblinkanlage zu aktivieren, verhält, wurde im Folgenden vom Landgericht Hagen (LG) thematisiert und geklärt.

Auf einer dreispurigen Autobahn staute sich der Verkehr auf der rechten Fahrbahn, auf der das Tempolimit von 100 km/h galt. Ein Lkw fuhr auf das Stauende zu und bremste von 62 auf 11 km/h ab, ohne dabei den Warnblinker einzuschalten. Ein hinter ihm fahrender Autofahrer erkannte die Situation nicht, fuhr mit 50 km/h auf den Lkw auf und wurde dabei schwer verletzt. Die Kranken- und Pflegeversicherung forderte von der Versicherung des Lkw Schadensersatz für geleistete Behandlungskosten - sie war der Ansicht, dass der Berufskraftfahrer die Pflicht gehabt hätte, die Warnblinkanlage einzuschalten. Da er genau das unterlassen habe, sei der Unfall von ihm verschuldet worden.

Das LG wies die Klage ab. Denn es gibt keine generelle Pflicht, an einem Stauende die Warnblinker anzustellen. Eine solche Verpflichtung bestehe nur, wenn eine besondere Gefahrenlage erkennbar sei. In diesem Fall war genau das aber nicht der Fall. Der Stau bildete sich nämlich nur auf der rechten Spur, was häufiger vorkommt, da langsame Lkws oder Auf- und Abfahrten den Verkehrsfluss beeinträchtigen können. Zudem war ein Tempolimit von 100 km/h angeordnet, und der Lkw-Fahrer habe die Geschwindigkeit moderat reduziert, als er den Stau wahrnahm. Wenn der Hintermann dennoch mit 50 km/h auffahre, sei davon auszugehen, dass er sich grob verkehrswidrig verhalten habe, indem er den vorausfahrenden Verkehr nicht ausreichend im Blick behielt. In einer solchen Situation sei es fraglich, ob das Einschalten der Warnblinker den Unfall überhaupt hätte verhindern können.

Hinweis: Eine Verpflichtung, den Warnblinker einzuschalten, besteht nur dann, wenn sich aufgrund des Staus eine Gefährdungslage für den nachfolgenden Verkehr ergibt. Hierfür kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gefährlichkeit der Situation und deren Erkennbarkeit für den nachfolgenden Verkehr an. Für die Annäherung an einen Stau auf der Autobahn gilt gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung, dass der Warnblinker nur dann eingeschaltet werden darf, wenn eine Gefährdung anderer nicht auszuschließen ist. Eine Behinderung reicht nicht.


Quelle: LG Hagen, Urt. v. 31.05.2023 - 1 O 44/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2023)

Gekündigter Gewerberaummietvertrag: Kein Zurückbehaltungsrecht bei fehlender Rechnung für Gewerberäume

Für Gewerbetreibende ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Sie wird eingenommen und an das Finanzamt abgeführt. Wer als Gewerbetreibender etwas kauft, erhält die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet. Voraussetzung für Letzteres: das Vorliegen einer Rechnung. Wie verhält es sich aber hinsichtlich dieser Regelung im Mietrecht? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste hierauf eine Antwort finden.

Für Gewerbetreibende ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Sie wird eingenommen und an das Finanzamt abgeführt. Wer als Gewerbetreibender etwas kauft, erhält die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet. Voraussetzung für Letzteres: das Vorliegen einer Rechnung. Wie verhält es sich aber hinsichtlich dieser Regelung im Mietrecht? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste hierauf eine Antwort finden.

Ein Mann mietete Gewerberäume mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren. Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine monatlich im Voraus zu zahlende Nettokaltmiete von 1.650 EUR zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer. In dem Gewerberaummietvertrag war die Steuernummer der Vermieterin angegeben. Trotzdem zahlte der Mann die Miete nicht. Kurze Zeit später kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs von mehr als zwei Monatsmieten und erhob schließlich eine Klage auf Zahlung rückständiger Mieten über fast 43.000 EUR. Der Mieter berief sich auf ein angebliches Zurückbehaltungsrecht. Er war der Ansicht, die vorgelegte Dauerrechnung genüge nicht den Anforderungen des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG), enthalte insbesondere nicht alle erforderlichen Angaben, etwa diejenige der Rechnungsnummer. Sein Zurückbehaltungsrecht habe er durch schlichte Nichtzahlung ausgeübt. Dazu sei er bis zur Vorlage einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechnung berechtigt gewesen.

Mit dieser Argumentation kam er vor dem OLG jedoch nicht durch. Die Rechnungslegung nach dem UStG ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung. Das bloße Schweigen auf die Leistungsaufforderung und die Verweigerung der Leistung ohne gleichzeitige Geltendmachung des Gegenanspruchs stellten zudem noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechts dar.

Hinweis: Der Vermieter muss dem Mieter also tatsächlich eine Rechnung im Gewerbesteuermietrecht erteilen. Wird diese nicht erteilt, führt das aber nicht dazu, dass der Mieter einfach nicht zahlen muss.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 14.03.2023 - 3 U 16/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Ablehnung der Einstandspflicht: Selbstbelastung gegenüber Versicherung unterliegt der Mitwirkungspflicht

Im Strafverfahren muss niemand belastende Aussagen gegen sich selbst tätigen. Wie das im Verhältnis zum eigenen Versicherer aussieht, musste das Landgericht Osnabrück (LG) klären. Dabei ging es immerhin um die nicht unerhebliche Schadenshöhe von rund 640.000 EUR.

Im Strafverfahren muss niemand belastende Aussagen gegen sich selbst tätigen. Wie das im Verhältnis zum eigenen Versicherer aussieht, musste das Landgericht Osnabrück (LG) klären. Dabei ging es immerhin um die nicht unerhebliche Schadenshöhe von rund 640.000 EUR.

Anfang 2018 wurde die Inneneinrichtung eines Restaurants in Osnabrück durch ein Feuer erheblich beschädigt. Die Versicherungsnehmerin hatte den Vorfall unmittelbar der Versicherung angezeigt, und diese versandte wenige Wochen später einen Katalog mit 20 Fragen zur weiteren Bearbeitung des Vorgangs. Die Betreiberin des Restaurants beauftragte Unternehmen mit der Regulierung des Schadensfalls und ließ sich durch mehrere Rechtsanwälte vertreten. Erst mehr als sechs Monate später beantwortete einer der Rechtsanwälte die Fragen des Versicherers. Da die Fragen teilweise nicht bzw. nur unvollständig beantwortet worden waren, setzte die Versicherung eine Frist zur ergänzenden Beantwortung. Sie wies auf die Regelung zu § 28 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz hin, wonach eine Leistungskürzung oder eine Ablehnung der Einstandspflicht möglich sei, wenn der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkomme. Eine weitergehende Beantwortung erfolgte dennoch nicht. Rund fünf Monate später erklärte der Versicherer, dass er die Deckung des Schadens ablehne, da die Versicherungsnehmerin ihrer Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Daraufhin klagte die Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung - mit wenig Erfolg.

Das LG meinte, dass eine Frage an den Versicherungsnehmer dann zulässig ist, wenn die Beantwortung der Frage für die Einschätzung des Versicherers von Relevanz sein kann, ob eine Einstandspflicht besteht. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sich die Beantwortung der Frage tatsächlich als wesentlich erweist. Der im Strafrecht geltende Grundsatz, wonach sich niemand selbst zu belasten braucht, gilt im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht. Somit erhielt die Restaurantbetreiberin kein Geld von ihrer Versicherung.

Hinweis: Und warum das Ganze? Es bestand der Verdacht einer vorsätzlichen Brandstiftung. In einem Strafverfahren wurde ein Dritter aus dem Umfeld der Versicherungsnehmerin, welcher der Brandlegung verdächtigt worden war, zwar freigesprochen. Dennoch bleibt hier zu mutmaßen, dass die Frau dies zum Anlass genommen hat, nur unvollständig Stellung zu den Fragen ihrer Versicherung zu nehmen.


Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 24.05.2023 - 9 O 3254/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)

Lockdowns und Nutzungseinschränkungen: Nur schwere Verletzung von Vertragspflichten rechtfertigt Fitnessstudiokündigung

Kein Monat ohne Entscheidungen rund um die rechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Man ahnt, dass dies bei den verschiedenen rechtlichen Bereichen zu diesem Thema noch eine ganze Weile andauern wird. Denn auch für die Rechtsprechung war und ist die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen ein weites Feld. Daher ging die Frage, wann der Vertrag mit dem Fitnessstudio kündbar ist - und wann eben nicht - auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Kein Monat ohne Entscheidungen rund um die rechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Man ahnt, dass dies bei den verschiedenen rechtlichen Bereichen zu diesem Thema noch eine ganze Weile andauern wird. Denn auch für die Rechtsprechung war und ist die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen ein weites Feld. Daher ging die Frage, wann der Vertrag mit dem Fitnessstudio kündbar ist - und wann eben nicht - auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Eine Frau war seit Dezember 2019 Mitglied in einem Fitnessstudio. Die Laufzeit des Vertrags betrug 100 Wochen - also knapp zwei Jahre. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Betreiberin das Fitnessstudio von Mitte März bis Mitte Mai im ersten sogenannten Lockdown schließen. Die Mitgliedsbeiträge von monatlich 34,95 EUR zog das Studio zwar weiterhin vom Konto der Frau ein, bot ihr dafür aber kostenlose Trainingswochen nach Wiedereröffnung des Fitnessstudios an. Am 31.05.2020 unterzeichnete die Sportlerin einen "Ruhezeitantrag" über eine Unterbrechung der Mitgliedschaft für zehn Wochen. Nach der Wiedereröffnung des Fitnessstudios bestanden aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verschiedene Nutzungseinschränkungen, insbesondere konnten die Duschen und die Sauna nicht genutzt werden. Am 02.11.2020 musste das Fitnessstudio dann erneut schließen. Während dieses zweiten Lockdowns, der bis zum 31.05.2021 dauerte, zog das Fitnessstudio keine Mitgliedsbeiträge ein. Die Sportlerin kündigte ihre Mitgliedschaft im November 2020 dennoch. Als das Fitnessstudio die Kündigung nicht akzeptierte, legte sie eine Klage ein auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis beendet ist - ohne Erfolg.

Die außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrags durch die Kundin mit der Begründung, sie könne wegen pandemiebedingten Betriebsschließungen und -beschränkungen das Fitnessstudio nicht im vertraglich vereinbarten Umfang nutzen, kommt nur im Ausnahmefall in Betracht. Die Verletzung vertraglicher Pflichten berechtigt zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nur, wenn sie so schwerwiegend ist, dass durch sie das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern in einem Maß beeinträchtigt wird, dass der Kündigenden ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Und dies war laut BGH vorliegend nicht der Fall.

Hinweis: Wegen coronabedingter Schließungen durften also in der Regel Fitnessstudioverträge nicht außerordentlich gekündigt werden. Das wird insolventen Fitnessstudiobetreibern nun aber auch nicht mehr helfen.


Quelle: BGH, Urt. v. 19.04.2023 - XII ZR 24/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)